Vor kurzem gab es an dieser Stelle schon zwei DIY-Artikel zum Beziehen eines Sattels mit Leder und zur Herstellung von passenden Lenkergriffen. Nun folgt die Auflösung, für welches Projekt beides entstanden ist: Der Neuaufbau eines alten Fahrrads aus den 90er Jahren!
Ausgangsbasis für das Projekt bildete ein altes Fahrrad der nicht mehr existenten Marke Jungherz aus dem Jahr 1990/1991. Auch wenn der Rahmen in einem guten Zustand war, so gab es doch genügend Mängel: Die Schaltung (5-Gang Torpedo) funktionierte nicht mehr, die Verkabelung der Lichtanlage war kaputt, die Kette hing lose rum, Schutzbleche und Gepäckträger waren teils stark verbogen, der Schlüssel für das Rahmenschloss war verschollen – die ideale Grundlage also für einen kompletten Neuaufbau.
Schritt 1: Demontage
Zuerst wurde das Rad komplett demontiert, was mit gängigen Werkzeugen gut zu bewältigen war. Eine Ausnahme bildeten die Tretkurbeln; hier half nur der Gang zum Fahrradhändler dem es dann gelang, die – über die Jahre gut festgesetzten – Kurbeln zu demontieren. Danach folgte die Bestandsaufnahme, welche Teile weiterhin bzw. nicht mehr verwendet werden sollten:
- Aufgrund der kaputten Schaltung hinten, dem Wunsch nach einem Nabendynamo vorne und dem Drang nach Hochprofil-Felgen war schnell die Entscheidung gefasst, dass neue Laufräder hermussten.
- Die Vorderbremse sah zwar nicht schön aus, war soweit aber intakt. Hinten wurde mit Rücktritt gebremst, was dann – aufgrund fehlender Halterungen für andere Bremstypen – auch für das neue Hinterrad Voraussetzung war.
- Schutzbleche, Gepäckträger, Werkzeugtasche (vor dem Gepäckträger) und Kettenschutzblech sollten erstmal ersatzlos weggelassen werden; Kurbeln, Vorbau, Lenker, Bremshebel und Sattelstütze liessen sich weiterhin benutzen.
- Sattel und Lenkergriffe sollten eigentlich neu angeschafft werden – wie diese Geschichte ausging wurde ja schon in den beiden DIY-Artikeln über den Sattel und die Lenkergriffe berichtet.
- Nicht nur aufgrund des Nabendynamos sollte eine neue Lichtanlage mit LED-Technik und Standlichtfunktion angeschafft werden.
Schritt 2: Änderungen am Rahmen
Auch wenn der recht elegante Stahlrahmen eine gute Ausgangsbasis darstellte, so gab es für den Neuaufbau doch einige Problemstellen: Zum einen das angesprochene Rahmenschloss, für welches eh kein Schlüssel mehr vorhanden war; zum anderen die Dynamohalterung an der Gabel vorne, welche durch den neuen Nabendynamo überflüssig war. Letztlich waren da noch die Halterungen für eine Fahrradpumpe am Unterrohr. Nachdem sich schnell zeigte, dass all diese Teile nur an den Rahmen angelötet wurden und somit keine stabilisierende Funktion hatten, kamen Metallsäge und Schleifpapier zum beherzten Einsatz und die Teile wurden kurzerhand abgesägt und glatt geschliffen. Am Ende war der Rahmen dann von überflüssigen Anbauteilen befreit. Dass an den bearbeiteten Stellen der Lack zerstört wurde war insofern egal, da sowieso der Wunsch nach einer neuen Pulverbeschichtung gereift war. Die Wahl der Farbe war dann wieder schwieriger als gedacht, letzten Endes wurde es RAL 5008, Graublau.
Schritt 3: Auswahl der Neuteile
Die Suche nach den passenden Fahrradteilen kann zur Wissenschaft mutieren – und mit jedem neu gefundenen Shop wächst die Teile-Auswahl weiter.
Die erste Neuanschaffung war die Shimano Nexus 7-Gang Nabe mit Rücktritt, vor allem wegen ihrer polierten Oberfläche und nicht zuletzt wegen des relativ günstigen Preises. Als passendes Pendant für das Vorderrad fiel die Wahl auf den ebenso polierten Shimano Nabendynamo DH-3N72. Die weißen Felgen stammen von Rigida (Modell DP18) – vorne mit Bremsflanke für die Felgenbremse, hinten dank der Rücktrittbremse ganz ohne Bremsflanke. Farblich passend sind die 28 mm breiten Randonneur-Reifen von Vittoria (welche sich aber furchtbar schwer aufziehen liessen).
Der Frontscheinwerfer, Modell „H-Diver Auto“ von Herrmans, ist wenig bekannt aber durchaus empfehlenswert: Er verfügt über Standlicht, eine Einschaltautomatik und leuchtet mit 20 Lux für den Stadtverkehr absolut ausreichend hell. Hinten wurde das Philips SafeRide Rücklicht mit dem charakteristischen Leuchtring und großer Reflektorfläche verbaut. Dank einer selbstgebauten Halterung ist das Licht allerdings vertikal am Rahmen befestigt; eigentlich ist vom Hersteller gedacht, das Licht quer an einem (hier ja eh nicht vorhandenen) Gepäckträger zu montieren.
Schritt 4: Aufbereitung alter Teile
Generell wurden alle alten Teile, die weiterverwendet werden sollten, einer gründlichen Reinigung unterzogen. Allerdings hatten insbesondere die polierten Bremsteile altersbedingt eine unansehliche, matt-graue Oberfläche. Abhilfe schuf hier die Politur mit einem weichen Tuch und der Metall-Politurpaste von Nigrin, welche den alten Teile wieder neuen Glanz verschaffte.
Schritt 5: Endmontage
Stück für Stück wurden zum Schluss die einzelnen Teile wieder an den Rahmen montiert und die Verkabelung von Bremsen und Licht vorgenommen. Die Endmontage mit dem Anbringen von Innenlager, Kurbeln und einer neuen Kette sowie die Einstellung der Schaltung wurde dann dem Profi überlassen (für Stuttgart kann ich dafür die Radtheke empfehlen).
Fazit
Auch wenn einem der Neuaufbau des Fahrrads im Nachhinein als recht einfache Sache erscheint, so sollte einem bewusst sein, dass ein solches Projekt ziemlich viel Zeit (und Kosten) verschlingt. Belohnt wird man dann aber mit einem individuellen und maßgeschneiderten Ergebnis, das es – wie auch in diesem Fall – nicht von der Stange zu kaufen gibt. Für alle, die sich jetzt selbst ans Werk machen wollen, gibt es hier noch einige Links zu passenden Online-Shops:
- Zweiradnetz (Teile aller Art, viel Stadtrad-Zubehör)
- CNC-Bike (viele Rennrad/Fixie-Teile und günstige No-Name-Teile)
- Studio Brisant (spezialisiert auf klassische Fahrradteile)
- Goldsprint (viele Singlespeed/Fixie-Teile)
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